Beratungen 2020
Familienberatung Online – So fern, aber doch auch nah‘
Die Krise als Chance – auch in Zeiten von Corona

Beratungen 2020

Es fanden im Jahr 2020 insgesamt 3.632 Beratungen mit 2.107 Klienten und Klientinnen statt.

Die Corona-Krise spiegelt sich auch in der Statistik der Familienberatungsstelle des Vereins wider: Stark gestiegen sind dabei Beratungen zu Ängsten, Überforderung und Gewalt, psychischen Erkrankungen und anderen medizinischen Problemen. 162 Menschen erhielten dazu 417 Beratungsstunden.

Das Thema „Kinderbetreuung zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ wurde in 372 Beratungen behandelt.

1.132 Beratungen mit 577 Klient*innen fanden zu den Themen „Kinderwunsch“ bzw. „Inpflegenahme und Adoption eines Kindes“ statt.

Zu den Begleitthemen „Schwangerschaft und Empfängnisverhütung“ wurden 201 Beratungen durchgeführt.

482 Eltern holten sich in 779 Beratungsstunden Hilfe bei Erziehungsproblemen, Verhaltensauffälligkeiten, Ablösungsschwierigkeiten der Kinder und anderen familiären Konflikten.

159 Klient*innen benötigten 238 Beratungsstunden für eine Ehe- bzw. Scheidungsberatung bzw. Sorgerechtsfragen oder Besuchsrechtsprobleme oder hatten Kommunikationsschwierigkeiten.

Berufliche Probleme wie Arbeitslosigkeit, Wiedereinstieg nach Familienpause, finanzielle Schwierigkeiten, Wohnungsprobleme, Überschuldung und andere Rechtsfragen wurden in 369 Beratungen mit 289 Personen behandelt.

Familienberatung Online – So fern, aber doch auch nah‘

von Maria Eberstaller, Psychologin

Die Corona-Zeit war und ist besonders für Familien mit Kindern und Jugendlichen eine herausfordernde Zeit. Durch Home-Schooling und Home-Office wurde es deutlich enger zu Hause. Die gewohnten Kontakte mit Freunden oder Kollegen, die immer einen Ausgleich geboten haben, sind plötzlich nicht mehr möglich.

Wir haben alle mehrmals am Tag gehört, wie wir unser Ansteckungsrisiko minimieren können und uns voreinander schützen sollen. Was wir kaum gehört haben, ist, wie wir unsere psychische Gesundheit dabei erhalten können. Besonders bei Kindern und Jugendlichen zeigt sich jetzt, dass diese Zeit nicht spurlos an ihnen vorüber gegangen ist. Social-Distancing hat insbesondere bei Kindern, die knapp vor der Pubertät stehen, vermehrt zur Entwicklung von Sozialphobien geführt. Das ist nicht verwunderlich. Unsicherheiten, die etwa in diesem Alter ganz typische Fragen mit sich bringen, wie z.B.: „Wie sehen mich andere?“, „Wie wird mein Äußeres beurteilt?“ oder: „Halten die anderen mich für dumm?“, werden durch regelmäßige reale Kontakte mit gleichgesinnten Jugendlichen relativiert. Die Jugendlichen gewinnen dadurch mehr Sicherheit im Umgang mit anderen Menschen.

Fallen diese realen Kontakte weg, geschieht es, dass sich Jugendliche ganz auf sich selbst zurückziehen, da der Vergleich mit anderen wegfällt. Viele Menschen empfinden dies auch als Erleichterung. Jugendliche waren schon vor Corona in den sozialen Medien unterwegs und haben dort Kontakte geknüpft. Jetzt werden diese fast zur einzigen Form der Kontaktaufnahme. Kommen bei diesen Kontakten Gefühle des Unwohlseins auf, braucht es nur einen Klick, das Gegenüber auch schon wieder los zu sein. Findet man sich aufgrund des Austausches auf den sozialen Medien hingegen symphatisch, kommt es nun seltener zu persönlichen Treffen. Dies führt dazu, dass Fantasien gedeihen, zu denen aber keine korrektive Realität mehr möglich ist.

Ein Mädchen berichtet, dass sie bei einer zufälligen, aber sehr realen Begegnung mit einem Schulkollegen, aus Scham einfach weggelaufen ist.

Manchmal verschwinden auch Kontakte auf sozialen Medien ohne Vorankündigung, quasi von heute auf morgen: „Ghosting“ nennt man dieses Verhalten, das Chat-Partner*innen plötzlich ohne Erklärung ratlos zurückhält. Nicht alles lässt sich also über soziale Plattformen erproben und erlernen.

Ich habe junge Erwachsene beraten, die nach dem ersten Lockdown es nicht mehr schafften, an ihre Arbeitsstätte zu gehen, sowie auch Kinder und Jugendliche, die nicht mehr in die Schule gehen wollten und konnten.

Die Online-Beratung ist ein gutes Mittel, um Kontakte regelmäßig stattfinden zu lassen. Sie kann eine persönliche Begegnung nicht ersetzen, dafür können damit täglich mehr Menschen erreicht werden. Wir haben Adoptivfamilien in den Bundesländern, die wir sonst selten zu Gesicht bekommen. Gerade mit Familien, die in ländlichen Regionen leben, gab es vermehrt Online-Kontakte. Und plötzlich kommt man sich durch den häufigeren Austausch ganz nahe, etwa wenn mir ein Kind sein Kinderzimmer zeigt, Geschwister hereinplatzen und auch mitreden. Als Beraterin hatte ich manchmal sogar die Sorge, zu sehr in die Privatsphäre einzudringen. Nicht so die Kinder, die eine Freude daran haben, mit der Zoom-Beraterin und dem Haustier im Indianerzelt zu sitzen.

So kann ich für mich sagen, online viel herumgekommen zu sein, und dass sich dabei auch durchaus neue, intensive Begegnungen und Gespräche ergeben haben.

Die Krise als Chance – auch in Zeiten von Corona

von Katharina Marek-Baudisch, Psychotherapeutin

Eine Krise kann Jede und Jeden treffen und deren Bewältigung ist immer eine Herausforderung. Eine psychische Krise wird definiert als Reaktion auf ein außergewöhnliches Ereignis, wie beispielsweise einen Todesfall, eine schwere Krankheitsdiagnose, einen Unfall oder eine andere emotional aufwühlende und beanspruchende Situation.

Der Verlust des seelischen Gleichgewichts in der krisenhaften Situation kann dazu führen, dass sich die betroffene Person mit Erlebnissen konfrontiert sieht, die sie im Augenblick glaubt, nicht bewältigen zu bewältigen können. Außerdem kann sich die krisenhafte Situation im subjektiven Empfinden verschlimmern, wenn man sich einsam oder in der Situation allein gelassen fühlt. Dazu können auch noch die Verluste von wichtigen Bezugspersonen, Trauer im Allgemeinen oder Wiedererinnerungen, auch als Trigger bekannt, an frühere traumatisierende Ereignisse durch Jahrestage oder Sinneseindrücke (Gefühle, Geräusche, Gerüche, usw.) kommen. Nicht zu vernachlässigen sind weiters massive psychische Verletzungen, die durch das Miterleben von schlimmen Situationen, die anderen Personen widerfahren sind, auftreten können.

Einen anderen, nicht unerheblichen Teil des Krisenerlebens, stellen die so genannte Lebens- oder Veränderungskrisen dar. Sie treten meist bei der Konfrontation mit neuen Anforderungen auf, die mit den bisher erworbenen Ressourcen oder erlernten Bewältigungsstrategien nicht bewältigbar scheinen. Diese Krisen lösen sich von selbst, sobald die Situation gemeistert ist.

So stellt sich nun die Frage: Was kann ich in einer psychischen kritischen oder anstrengenden Situation für mich selbst tun?

Aktivitäten jeglicher Art helfen meist sehr gut. Sport oder auch Meditation, Musik hören oder schon ein kurzer Spaziergang können dabei helfen, den Kopf frei zu bekommen. Gleichzeitig ergibt sich die Chance, Zeit an der frischen Luft zu verbringen und auch seinem Körper und Geist etwas Gutes zu tun. Sich zu unterhalten und Gespräche, auch per Telefon, ganz gezielt zu vereinbaren, können einen großen Teil dazu beitragen, um sich und seine Gedanken und Gefühle wieder zu ordnen und schwierige Erfahrungen zu bearbeiten.

Auch aussichtslos wirkende Situationen können bewältigt werden: Mit Geduld, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und gegebenenfalls Hilfe von erfahrenen Fachkräften. Als Leitgedanke für alle Krisensituationen gilt: Etwas zu tun ist immer besser, als nichts zu tun!

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